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Die grüne Welle
Naturschutz ist heute nicht mehr nur Thema von Dokumentationen, sondern hat längst das Mainstream-Kino erreicht. Das bedeutet mehr Aufmerksamkeit für die Umwelt – aber der Schritt zum ökologischen Handeln fällt schwer.

Naturdoku anno 1959: Braun und weit erstreckt sich die Savanne bis zum Horizont. Die Kamera, platziert in einem Flugzeug, zeigt eine Herde Antilopen auf der Flucht vor Wilderern. Ihnen sind Wildhüter in ihren Jeeps auf den Versen. Die Stimme des Erzählers erklärt, als die Fahrzeuge anhalten, dass 20 Wilddiebe gefangen wurden. Diese Szene stammt aus dem Film „Serengeti darf nicht sterben" von Bernhard und Michael Grzimek. Die beiden Männer machten sich damit gegen Wilderei und Großwildjagd und für den Schutz der Serengeti stark. Und sie definierten ein Genre, ihre Dokumentation gewann den Oscar, sie zählt als Klassiker des Naturfilms.

Heute, gut fünfzig Jahre später, hat das Genre wieder Hochkonjunktur: Fast im Jahresrhythmus erscheinen neue, aufwendige Produktionen, Filme wie „Nomaden der Lüfte", „Unsere Ozeane" und „Die Reise der Pinguine" zeigen bedrohte Tiere und deren Lebensraum auf der großen Leinwand und im Fernsehen, Millionen von Zuschauern strömen in die Kinos. Die Zahl der Filme, die sich mit Naturschutz beschäftigen, ist in den vergangenen Jahren geradezu explodiert, von einer „neuen grünen Welle" ist die Rede. „Es ist ein riesiger Markt entstanden", sagt Professor Vinzenz Hediger, Filmwissenschaftler an der Universität Frankfurt am Main.

Natur- und Klimaschutz haben auch das Mainstream-Kino erreicht

Längst hat das Thema auch das Mainstream-Kino erreicht: Animationsfilme wie „Happy Feet" und „WALL-E" beziehen Stellung gegen Überfischung und für Recycling, Blockbuster wie „The Day after Tomorrow" und „Waterworld" dramatisieren den Klimawandel, im Science-Fiction-Streifen Avatar sind die Rohstoffe der Erde erschöpft. Sogar Hollywood-Stars machen die Ausbeutung der Natur zu ihrer Sache, Leonardo DiCaprio beispielsweise, dessen Dokumentation „The 11th hour – Fünf vor zwölf" 2007 in die Kinos kommt.

An Warnrufen mangelt es nicht. Trotzem verpufft der Appell, die Natur zu bewahren, oft einfach. „Die Leute wollen keine Predigten hören, sondern unterhalten werden", sagt Gregg Mitman von der Universität Wisconsin. Er hat ein Buch über die Entwicklung des Naturfilms geschrieben und ist überzeugt, dass es sinnlos sei, den „Leuten Angst zu machen." Doch auch das Gegenstück zur Umwelt-Apokalypse, der romantisch-verklärte Blick auf eine unberührte Natur, vermittelt ein falsches Bild, sagt er: „Das sind Filme über Orte ohne Menschen." Gerade große, teuer produzierte Kino-Dokumentationen nehmen oft diese Perspektive ein – und verpassen die Chance zu zeigen, wie der Mensch die Natur prägt und welche Folgen das hat.

Die Bandbreite, wie Geschichten über die Umwelt erzählt werden, ist größer geworden im Laufe der Jahrzehnte. Die klassische Naturdoku hat dabei immer noch ihre Berechtigung, findet Chris Palmer, Filmemacher und Direktor des Center for Environmental Filmmaking an der American University in Washington DC. Allerdings müsse man, sagt Palmer, neue Wege gehen, um ein breites Publikum zu erreichen. Charismatische Filmfiguren, berühmte Persönlichkeiten, beeindruckende Aufnahmen und das Stilmittel Humor helfen, damit das Publikum dran bleibt und die Botschaft ankommt.

Vor allem braucht ein Film eine packende Geschichte. Bei fiktiven Formaten ist die leichter zu entwickeln als bei Dokumentationen. Wie gut das aber auch dort klappen kann, zeigt die Doku „Die Bucht" über die gezielte, massenhafte Tötung von Delfinen in Japan. Der Film funktioniert wie ein Thriller, mit verdeckten Ermittlungen, nächtlichen Einbrüchen und versteckten Kameras. Er wurde mit einem Oscar ausgezeichnet – und hat zu weltweitem Protest gegen die umstrittene Delfinjagd geführt.

Aufmerksam bedeutet nicht mehr Engagement

Trotzdem: Die Filme schaffen zwar Aufmerksamkeit, und bringen durchaus Einzelne zum Umdenken. Aber eben nicht im großen Stil. „Es gibt kaum Beweise dafür, dass die Filme eine Wirkung haben", sagt Chris Palmer. Der Schritt vom Wissen zum Handeln ist offensichtlich groß. „Wenn der Film fertig ist, sind erst fünfzig Prozent der Arbeit getan." Um wirklich Einfluss zu nehmen, braucht es die Kampagne zum Film. Das Internet und die sozialen Medien haben die Verbreitungswege vervielfacht, und immer mehr Filmemacher nutzen sie. Die Dokumentation „Sharkwater" zum Beispiel, die illegale Geschäfte von Hai-Jägern offenlegt, wurde per Youtube, Facebook und Myspace offensiv im Netz vermarktet. Andere Dokumentarfilmer arbeiten eng mit Organisationen vor Ort zusammen, um konkrete Veränderungen anzustoßen. Wie die Macher von „Blue Vinyl", einem Film über den Kunststoff PVC, die verschiedene Unternehmen davon überzeugten, den Stoff aus ihren Produkten zu verbannen.

Dennoch ändert sich auf politischer Ebene kaum etwas. Trotz der Proteste, die auf den Film „Die Bucht" folgten, hält Japan an der Delfinjagd fest. Ein anderes Beispiel ist „Eine unbequeme Wahrheit", eine Dokumentation des ehemalige US-Präsidentschaftskandidat Al Gore. Auch sie warnt eindringlich vor dem Klimawandel und war ein Publikumserfolg, der Millionen in die Kinos lockte und den Oscar gewann. Politisch hat er trotzdem wenig bewirkt. Die USA gelten auf internationalen Klimakonferenzen nach wie vor als Bremser. Es braucht also nicht nur aufrüttelnde, erfolgreiche Filme, sondern auch einen langen Atem.

Autor: Anne Bohlmann

Sigurd A.Röber

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