Hamburg - Noch wirbt das Inselreich Samoa im Pazifik mit dem Slogan, das Land zu sein, "wo die Sonne zuletzt untergeht". Ab dem Wochenende wird Samoa der Staat sein, in dem die Sonne zuerst aufgeht.
Samoa, auf halbem Weg zwischen Neuseeland und Hawaii gelegen, wechselt die Zeitzone. Seine Einwohner werden den kommenden Freitag, den 30. Dezember 2011, nicht erleben. Das Land verzichtet auf den Tag, um in die neue Zeitzone eintreten zu können. Die Inselgruppe hat den 30. Dezember kurzerhand aus ihrem Kalender gestrichen und geht am Donnerstag um Mitternacht vom 29. direkt auf den 31. Dezember über. Sie springt damit auf die andere Seite der internationalen Datumsgrenze.
Samoa bringt sich über Nacht in die Position, als Erste weltweit das neue Jahr zu begrüßen: 13 Stunden, bevor in Deutschland die Korken knallen, begeht Samoa den Jahreswechsel. "Bislang waren wir die, die den letzten Sonnenuntergang des Jahres erlebten, und nun gehören wir plötzlich zu denen, die den ersten Sonnenaufgang erleben", sagt Samoas Regierungssprecher Uale Papalii.
Der Sprung über die Datumsgrenze hat wirtschaftliche Gründe: "Der Wechsel der Zeitzone macht unsere Geschäftskontakte nach Neuseeland, Australien und Asien einfacher", erklärte Premierminister Tuila'epa Sailele Malielegaoi. Künftig liegt Samoa in derselben Zeitzone wie seine wichtigsten Handelspartner. Bisher lebten die knapp 200.000 Einwohner östlich der Datumsgrenze - 23 Stunden hinter Neuseeland und einen ganzen Tag hinter den Tonga-Inseln, obwohl die nur 900 Kilometer westlich von Samoa liegen.
Zweimal Geburtstag feiern
Samoa ist schon mal in die andere Richtung gesprungen: Im Jahr 1892, in dem Glauben, die zeitliche Nähe zu den USA zahle sich aus. Jetzt laufen die Wirtschaftsströme in anderer Richtung. Asien, Neuseeland und Australien liegen westlich der Datumsgrenze. Bislang war der Freitag in Samoa schon Samstag in Neuseeland und Australien, der dortige Montag aber erst Sonntag auf Samoa. Ab 31. Dezember sind alle nun auf demselben Wochentag.
Der Nachteil der neuen Zeitrechnung ist, dass die östlichen Inseln der Gruppe - Amerikanisch-Samoa -, die zu den USA gehören, künftig zur alten Zeitzone gehören. Samoas Ministerpräsident Tuila'epa Sailele Malielegaoi will die ungewöhnliche Zeitdifferenz aber touristisch vermarkten: "Wenn man einen Geburtstag in West-Samoa feiert, kann man rüber und den selben Geburtstag in Ost-Samoa feiern. Das wird sehr aufregend."
Die internationale Datumsgrenzeverläuft, grob gesehen, entlang des 180. Längengrades. Darauf einigte sich die sogenannte Meridian-Konferenz 1884 in Washington. Sie legte die Lage des Null-Meridians und das System der 24 Zeitzonen zu je 15 Grad geografischer Länge fest. Die Zeitzonen sollen die Unterschiede in der Zeit ausgleichen, die durch die Rotation der Erde entstehen. Ein Reisender, der die Line der Datumsgrenze von Osten nach Westen überschreitet, ist einen Tag voraus. Wer von Westen nach Osten über die Datumsgrenze reist, gelangt in den vorherigen Tag.
Es gibt aber einige "Beulen" in der Linie der Datumsgrenze: So gehört die Tschuktschen-Halbinsel, obwohl teils östlich der Linie gelegen, zeitlich zum Rest Sibiriens westlich der Linie. Die Aleuten-Inseln - sie liegen teilweise westlich des 180. Längengrades - gehören dagegen politisch und damit auch zeitlich in die amerikanische Zeitzone.
"Gott wird es nicht akzeptieren"
Bis 1995 lief die Datumsgrenze noch durch den Inselstaat Kiribati, der sich in Ost-West-Richtung über 5000 Kilometer streckt. Damit machte die Regierung Schluss, verordnete dem ganzen Land westliche Zeit und sorgte damit für eine weitere Beule in der Linie. Samoa und die Inselgruppe Tokelau bilden die nächste Beule.
Auch die zu Neuseeland gehörenden Atolle von Tokelau rund 500 Kilometer weiter nördlich mit 1500 Einwohnern machen die Umstellung mit. "Samoa ist unser Tor zur Welt", sagt der Personalleiter des Regierungsbüros von Tokelau in Samoas Hauptstadt Apia, Kele Lui. "Wir müssen dasselbe Datum haben." Tokelau hat keinen Flughafen. Die Schiffsfahrt von Samoa dauert 26 Stunden.
Die Bewohner des gesamten Inselreiches fiebern dem Zeitenwechsel entgegen: "Klar sind die Leute aufgeregt", sagt Regierungssprecher Uale Papalii in der Hauptstadt Apia. "Ich selbst bin entspannt, man muss ja nur den Kalender umstellen." Im Arbeitsministerium laufen die Vorbereitungen. Im Gebetshaus der Regierung gibt es am Donnerstag, 29. Dezember um Mitternacht (11 Uhr MEZ), eine Zeremonie. 300 Leute werden erwartet, sagt Sprecherin Iulia Petelo. "Dann kommt der große Sprung nach vorn", sagt sie lachend. Die Post feiert das mit Sondermarken.
Nur viele der 775 Menschen, die laut Geburtenregister in Samoa am 30. Dezember geboren wurden, werden wohl nicht begeistert sein, mutmaßt der gebürtige Bremer Roland Kubik (73), der seit Jahren auf Samoa lebt. "Und eine Bekannte mit einer Bäckerei ärgert sich, dass diese Arbeitswoche nur vier Tage hat, sie ihre Angestellten aber voll bezahlen muss", sagt er. Auch die Freikirchler der Siebenten-Tags-Adventisten sehen Probleme. "Gott wird nicht akzeptieren, dass wir einen Tag aus dem Kalender streichen", schrieb Noeline Cutts an die Lokalzeitung "Samoa Observer". "Wir werden weiter am siebten Tag der Woche beten."
siroPrint/dpa