Eine aktuelle Studie schätzt das weltweite Marktpotenzial für E-Mobility auf 280 Mrd Euro, räumt aber auch Risiken für die Akteure ein: Hohe Anfangsinvestitionen mit ungewissen Gewinnaussichten.
MÜNCHEN (ks). Die Unternehmensberatung A.T. Kearney schätzt den Markt für Elektrofahrzeuge und E-Mobility auf weltweit insgesamt 280 Mrd Euro. Demnach wird bis zum Jahr 2020 etwa jeder zehnte Neuwagen ein Elektro- oder Range-Extender-Fahrzeug sein. Der Schlüssel zu erfolgreichen Geschäftsmodellen liegt den A.T. Kearney-Experten zu Folge in der richtigen Besetzung und innovativen Vernetzung der einzelnen Segmente eines „E-Mobility Eco-Systems".
Elektromobilität ist eines der meist diskutierten Themen in der Automobilindustrie und wird durch den Start der ersten Serienfahrzeuge auch für Endkunden relevant. „Doch damit Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen ist es nicht getan. Notwendig ist ein funktionierendes Umfeld, damit Elektromobilität auch Realität wird – eine Art ‚E-Mobility Eco-System'", erklärt Dr. Götz Klink, Studienautor und Leiter des Automotive-Bereichs von A.T. Kearney. „Wir schätzen das Marktpotential des E-Mobility Eco-Systems global im Jahr 2020 auf insgesamt 280 Milliarden Euro. Doch dazu müssen alle Bereiche des Eco-Systems mit nachhaltig profitablen Geschäftsmodellen von den richtigen Spielern besetzt werden. Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg", so Klink.
Autohersteller in der E-Mobility Zwickmühle
In der Studie gehen die Autoren davon aus, dass global betrachtet im Jahr 2020 etwa jedes zehnte Fahrzeug ein Elektrofahrzeug sein wird – etwa die Hälfte davon mit zusätzlichem Verbrennungsmotor zur Steigerung der Reichweite – einem sogenannten Range-Extender. Das Marktpotenzial für Herstellung, Finanzierung und Service der Fahrzeuge schätzen die Studien-Autoren auf etwa 240 Mrd Euro, was 10% bis 15% des gesamten Automobilmarktes ausmacht. Doch ohne eine funktionierende Lade-Infrastruktur, „grünen Strom" und attraktive Mobilitätsservices bleibt diese Zahl nur Theorie. „Die Autohersteller sind in der Zwickmühle", so Stephan Krubasik, Principal bei A.T. Kearney und Co-Autor der Studie. „Einerseits sind Elektrofahrzeuge zukünftig ein Muss im Portfolio. Andererseits erfordern schon die Entwicklung und Produktion Milliardeninvestitionen. Und wenn die restlichen Segmente des Eco-Systems nicht ausreichend besetzt sind, kann E-Mobility schnell zum Milliardengrab werden", so Krubasik weiter. Die ersten Fahrzeughersteller haben bereits angekündigt, zukünftig selber in die Herstellung und den Vertrieb von Ladesäulen einzusteigen. Andere gehen sogar so weit, dass sie den „grünen" Strom aus regenerativen Energiequellen in eigenen Kraftwerken erzeugen wollen. „Ein solcher Schritt fernab der eigenen Kernkompetenzen will gut überlegt sein. Strategische Partnerschaften sind hier oft sinnvoller als ein Alleingang", gibt Krubasik zu bedenken.
Doch auch im Kerngeschäft der Hersteller gibt es einige weitere Herausforderungen. „Ebenso wichtig für den Erfolg der Hersteller ist es, neue Plattform- und Modulkonzepte zu nutzen, die konventionelle Antriebe, Elektrofahrzeuge, Range-Extender und langfristig auch die Brennstoffzelle integrieren. Nur so lassen sich die Herstellungskosten auf ein vernünftiges Maß drücken", so Klink. „Auch intelligente Finanzierungskonzepte wie Batterie-Leasingkonzepte und ‚Pay-per-Use'-Modelle können helfen, die Kaufbarriere eines hohen Einstiegspreises zu reduzieren", erklärt Klink.
Bereitstellung der Infrastruktur: Komplex und unbeliebt
Das Eco-System Segment „Bereitstellung der Infrastruktur" ist ein komplexes Geflecht, das mehrere unterschiedliche Industrien umfasst. Ladesäulen und –geräte müssen hergestellt, vertrieben und installiert werden. „Grüner Strom" muss erzeugt und Abrechnungssysteme etabliert werden. Und schließlich werden bei öffentlichen Infrastrukturen noch die Betreiber benötigt, die all dies bündeln und dem E-Fahrzeug-Nutzer zur Verfügung stellen.
„Das Marktpotenzial der E-Mobility-Infrastruktur ist interessant. Wir schätzen einen globalen Gesamtmarkt von etwa 21 Milliarden Euro in 2020", so Krubasik. „Doch aufgrund der Komplexität sehen wir in diesem Segment große Zurückhaltung. Stromversorger, die hier eine Schlüsselrolle einnehmen könnten, sind in einer ähnlichen Situation wie die Autohersteller: Hohe Investitionen bei ungewissem Gewinn-Aussichten", sagt Krubasik. „Bisher ist nur in den Ländern deutliche Aktivität im Bereich Infrastruktur zu beobachten, in denen staatliche Programme dafür sorgen. Die Entwicklung in Frankreich etwa ist hier ein gutes Beispiel", so Krubasik weiter.
E-Mobilitätsanbieter als Wegbereiter
Das Geschäftsmodell der Mobilitätsanbieter ist nicht neu und auch nicht an Elektrofahrzeuge gebunden. Für einen stündlichen Obolus oder eine Kilometerpauschale steht Nutzern ein Fahrzeug zur Verfügung. Dies ist insbesondere in Großstädten interessant, wo der Besitz eines eigenen Fahrzeuges aus Parkplatzmangel und gutem öffentlichen Nahverkehr oft keinen Sinn macht. „Für Elektromobilität kann dies ein wichtiger Wegbereiter sein", so Andreas Liedtke, Principal bei A.T. Kearney und Co-Autor der Studie. „Pay-per-Use wird oft von jungen und umweltbewussten Menschen in Anspruch genommen – hier sind Elektrofahrzeuge genau richtig. Auch die beschränkte Reichweite ist im innerstädtischen Betrieb kein Problem. Zusätzlich dazu fällt der Mehrpreis eines Elektrofahrzeuges bei einer Stunden- oder Kilometerpauschale nicht so deutlich ins Gewicht", so Liedtke. „Wir schätzen das globale Marktpotential von E-Mobilitätsangeboten auf etwa 17 Milliarden Euro in 2020. Dies ist insbesondere für Unternehmen interessant, die heute bereits Car-Sharing oder Mietwagen anbieten", so Liedtke weiter.
Ohne Vernetzung kein Markterfolg
„Das E-Mobility Eco-System bietet erhebliche Potenziale – bedarf aber auch einer sorgfältigen Abwägung der richtigen Besetzung. Erfolgreich werden nur jene Marktteilnehmer sein, die sich aktiv innerhalb des Eco-Systems vernetzen und Partnerschaften eingehen", fasst Klink das Ergebnis der Studie zusammen.